Ich komme gerade aus dem stimmungsvollen Village-Leben in Rajshahi, einer Region im Nordwesten Bangladeschs, wo ich meinen dritten und letzten Grameen Bank Branchvisit absolviert habe. Das beschauliche Leben am Land steht so ganz im Gegensatz zu jenem hektischen Treiben Dhakas und es ist eine Herausforderung nach einer 5 stuendigen Busfahrt ueber schlechte Strassen, den Schmutz, den Staub, den Smog, und den Laerm Dhakas hinter mir zu lassen und nun ueber meine unzaehligen positiven Eindruecke der letzten Tage zu berichten.
Am letzten Sonntag endete Durga Puja, das groesste bengalische Hindufestival des Jahres. Durga Puja bedeutet die Verehrung der Goettin Puja und wird nach dem hinduistischen Mondkalender Ende September oder eben im Oktober gefeiert. Durga Puja ist nicht nur ein religioeses Fest sondern vielmehr ein wichtiges gesellschaftliches Ereignis im Jahreslauf und wird 10 Tage lang gefeiert. In allen Dörfern und Städten feiern die Menschen die Ankunft der Göttin Durga mit Konzerten, Tanzdramen und prunkvollen Prozessionen. Festlich gekleidete Menschen schlendern durch die Straßen. Jeder beschenkt Freunde und Verwandte und stattet Dienstboten und Helfer mit neuer Kleidung aus. Hausfrauen kochen Festessen und stellen spezielle Süßigkeiten her. Ort der Feiern sind nicht die Tempel, sondern die Zentren des täglichen Lebens: Überall in den frisch herausgeputzten Häusern und Höfen, in Veranstaltungszelten oder sogar quer über die Straße bauen die Menschen kleine oder große Altäre auf, davor jeweils eine Bühne. Der Hoehepunkt der Feierlichkeiten ist am 10.Tag und dieser Tag bedeutet gleichzeitig den Abschied Durgas. Da wird die Goettin in kleinen und grossen Umzuegen zum naechstgelegenen Fluss oder Teich gebracht und ins Wasser geworfen.
Ich habe einen Teil der Feierlichkeiten am letzten Samstag beim groessten Hindutempel Dhakas miterlebt. Die verschiedenen Riten sind fuer einen nicht Fachkundigen nicht so leicht zu durchschauen aber das bunte Fest ist in jedem Fall sehr schoen anzuschauen. Eingekleidet in einem von Rumky, einer neuen bengalischen Freundin, ausggeliehenen Sari, waren wir zu viert in Old Dhaka unterwegs.
Bangladesch ist bis dato, unerklaerlicherweise, von der Turismusindustrie noch nicht entdeckt. Nur sehr wenige wagen sich in dieses Land, das fuer mich sowohl aufgrund der aussergewoehnlichen Liebenswuerdigkeit der einheimischen Bevoelkerung als auch der unglaublich ueppigen Vegetation und der Fruchtbarkeit des Landes, mich von Tag zu Tag mehr fasziniert. Als einer der wenigen „foreigner“ die sich in dieses Land wagen, gelte ich damit als wahre Sensation, und werde, egal wo und wie ich irgendwo im oeffentlichen Raum auftrete, unweigerlich zum Publikumsmagneten.
Wer einmal am eigenen Leib nachempfinden will, wie sich ein VIP fuehlt, der sollte nach Bangladesch reisen solange es noch so unentdeckt, urspruenglich, und authentisch ist wie heute. Manchmal fuehle ich mich wie ein Alien, wenn ich wieder einmal ohne etwas besonderes zu tun tausende neugierige Blicke auf mich ziehe, und sich egal wo ich stehenbleibe, Trauben von Menschen um mich bilden, die mich auf bengalisch ansprechen.
Aber das Interesse ist auftrichtig und nicht aufdringlich und zumeist sehr respektvoll. Ich habe bereits einige Phrasen bengalisch gelernt und auch wenn ich auch nur sehr wenig sagen kann, zeigen sich die Bengalen schnell begeistert ob meines Interesses fuer ihr Land, das ich durch meine wenigen bangla-Kenntnisse und durch meine bengalische Kleidung zum Ausdruck bringe. Sehr schnell schliessen sie mich in ihr Herz und betrachten mich als ihre Apa, was so viel wie Schwester heisst.
Am offensten und herzlichsten sind zumeist die Aermsten der Armen, die Grameen Kreditnehmerinnen. Es ist wieder einmal bezeichnend, dass genau jene, die am wenigsten an materiellen Guetern besitzen, am freundlichsten, zugaenglichsten, und gastfreundlichsten sind. Auch wenn sie selbst wenig haben so fuehlen sie sich geehrt, wenn sie mir eine Erfrischung anbieten und ihr Haus zeigen koennen.
Staendige Interaktion mit den Menschen ist hier wirklich unumgaenglich und eher introvertierte und schuechterne Menschen, die nicht auffallen moechten, tun sich wohl eher schwer mit dieser barrierefreien Mentalitaet der Bengalen. Mein VIP Status hier amuesiert mich zumeist. Ich war sogar schon im Fernsehen, in den Abendnachrichten. Ein Privatsender, der national ausgestrahlt wird, hat mich anlaesslich der Durga Puja Feierlichkeiten interviewt und lustigerweise hat mich sowohl die Familie bei der ich in Dhaka wohne als auch mein Tutur bei der Grameen Bank live im TV gesehen. Ich bin also mittlerweile fast eine Beruehmtheit... : )
Das Bangladesch das ich bis dato kennengelernt habe, ist so ganz anders als das triste und bedrueckende Bild, das in den Medien gezeichnet wird. Die Armut, zumindest in der Weise wie der Westen sie definiert, ist omnipraesent. Aber deas Gesicht der Armut ist zumeist nicht so trist wie wir dies erwarten. Viele Menschen hier haben wenig- aber sie machen das Beste aus den ihnen zur Verfuegung gestellten Ressourcen. Die Trucks und die Transportschiffe, die hier verwendet werden, befinden sich wohl zum Grossteil in ihrem letzten Lebenszyklus, wurden sie doch vom Westen hierher gebracht um Verschrottungskosten zu sparen. Die Bengalen bemalen ihre Trucks und Schiffe in den buntesten Farben sodass sie bunt und heiter wirken und die Abnuetzung nicht mehr so evident ist. Gleiches gilt fuer die Behausungen. Egal ob aus Wellblech, Ziegelstein, Stroh oder Bambus – die Kreditnehmerinnen von Grameen zeigen voll Stolz auf das was sie haben und lamentieren nicht darueber was ihnen fehlt. Eine Eigenschaft die im Westen wohl nicht ganz so vorherrschend ist.
Die Natur ist so facettenreich wie die Menschen hier. Die Vegetation ist ueppig- der lehmige Boden ist ausgesprochen fruchtbar und bietet einen ausgezeichneten Naehrboden fuer verschiedenste Fruechte wie Bananen, Papaya, Mango, Checkfruit, Kokosnuesse, und diverseste Gemuesesorten von deren Existenz ich bis dato gar nicht ahnte.
Ist Bangladesch ein armes Land? Gemessen am BIP/Kopf in jedem Fall, doch gemessen an der Lebensfreude der meisten Menschen ist es wohl eines der reichsten der Erde.
Wednesday, October 24, 2007
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