Thursday, October 11, 2007

Das Leben im Village....

Ich habe gerade meine zweite Trainingswoche und zwei Erfahrungsaufenthalte in Doerfern in der Umgebung von Dhaka absolviert. Nun will ich wieder einmal meine Eindruecke mit euch teilen- ja es ist Abenteuer lieber Heimo, Abenteuer pur und damit genau das wonach ich suchte... : )Das Klima waehrend meines ersten village Aufenthalts war eine ziemliche Herausforderung. Wir hatten Temperaturen um die 35 Grad Celsius und eine Luftfeuchtigkeit zwischen 70-97 %. Das ist ziemlich schwuel und Luftfeuchtigkeit und Staub auf den Strassen ergibt ein sehr klebriges Koerpergefuehl und man fuehlt sich nicht wirklich attraktiv. Die Schwuele ist besonders dann schwierig zu ertragen, wenn es wieder einmal einen Stromausfall gibt und damit die Ventilatoren still stehen. Die Nachfrage nach Strom in Bangladesch uebersteigt bei weitem die vorhandenen Lieferkapazitaeten und damit sind die Stromausfaelle hier eines der groessten Probleme. Am Abend wird es dann bei Stromausfall besonders romantisch, wenn die Grameen Bank Mitarbeiter dann ihre taeglichen Abschlussarbeiten bei Kerzenlicht erledigen muessen. Aber kein Bengale regt sich sonderlich auf, wenn wieder einmal das Licht ausgeht, die Ventilatoren still stehen und die Schwuele den Schweiss aus allen Poren treibt. Das gehoert einfach zum bengalischen Alltag dazu. Nach zwei Tagen massiven Dauerregens- ich bekam einen Eindruck wie es in der Regenzeit hier sein muss- in denen sofort die Strassen ueberschwemmt waren- hat es aber nun deutlich abgekuehlt, uns das Klima ist sehr angenehm. Aufgrund der grossen Wassermengen ist die Vegetation hier sehr ueppig. Zum ersten Mal sehe ich nun Reisfelder, Bananen- und Papayabaeume, Kokospalmen, und Zuckerrohr! Entgegen aller Befuerchtungen und Unkenrufe gibt es hier relativ wenige Mosquitoes, Kakerlaken, Spinnen und sonstiges Ungeziefer. Ich habe seit meiner Ankunft vor 2 Wochen erst eine einzige (!!!) Kakerlake gesehen. Ueberhaupt habe ich bis dato recht viel Glueck gehabt und wenig Unanehmlichkeiten erfahren. Bestimmt ist das fuer uns manchmal als recht "rough" wirkende Auftreten und Benehmen der Bengalen zu Beginn gewoehnungsbeduerfig. Die Menschen haben eine sehr offene Art und wenig Beruehrungsaengste. So etwas wie Privatsphaere in unserem Sinne gilt als eher unbekannt und das Spucken auf die Strasse und das laute Ruelpsen nach dem Essen - gegessen wird ja sowieso mit den Haenden- schockiert hier auch niemanden. Andere Laender- andere Sitten. Und wer weiss denn schon was einen Bengalen in Wien alles schockiert? Zumeist schaffe ich es die Dinge recht gelassen zu nehmen. Manchmal bekomme ich aber schon so meine Kulturschocks. Ursache ist dann meistens die sprachliche Barriere. Es verstehen sich nur wenige Bengalen so in Englisch auszudruecken, dass man sie auch versteht- und verstanden wird man auch von den wenigsten. Um mich verstaendlich zu machen, brauche ich zumeist drei Anlaeufe und selbst dann kommen noch 2-3 Rueckfragen von unterschiedlichen Personen, weil sich doch hier jeder fuer dich verantwortlich fuehlt und die Dinge fuer dich klaeren will. Und das wird manchmal doch recht muehsam. Da kommt es zu Missverstaendnissen bei den einfachsten Dingen, wie der Wahl des Fruehstuecks, oder dem Schnitt einer Hose beim Schneider. Das Grameen Buchhaltungssystem auf Englisch zu erklaeren, so dass es fuer mich auch verstaendlich ist, kann dann wirklich zu einer Mega- Herausforderung werden und ein hohes Mass an Energie kosten. So geschehen gestern.
Waehrend es Ziel meiner ersten Trainingswoche war, die Aufbau- und Ablauforganisation in der Grameen Bank und ihrer zahlreichen Filialen zu verstehen, war der Trainingsinhalt dieser Woche Finance and Accounting within Grameen. Als ich am Montag in der Filiale ankam, musste ich relativ schnell zur Kenntnis nehmen, dass ich mir wohl einen Uebersetzer leisten musste, nachdem ich das gebrochene Englisch des Branchmanagers beim besten Willen nicht verstehen konnte. Ubersetzer kosten USD 20 /Tag und bis dato kam ich ohne ihre Hilfe aus. Wir bemuehten uns beide redlich in der wenigen freien Zeit die der Branchmanager aufgrund seines wirklich massiven Arbeitspensums fuer mich opfern konnte, Antworten auf die vorgegebenen Fragen zu bekommen, aber trotz des Uebersetzers war dies nicht wirklich moeglich. Der Ubersetzer hatte selbst keine Ahnung von der Materie, und der Branchmanager konnte sich scheinbar nicht wirklich gut ausdruecken oder wusste die Antwort einfach nicht. Nachdem er dies nicht zugeben konnte, redete er ohne eine Antwort auf meine Fragen zu geben. Es war ein extrem muehsamer Prozess und ausserordentlich Energieraubend weil ich ja wirklich die Arbeistweise von Grameen verstehen wollte. Nach dem Interview hatte ich so wenig Engergiereserven, dass ich schliesslich auf mein Notfallpaket rueckgreifen musste und am Roof der Branch ein aus Oesterreich mitgebrachtes Power-Gel, das mir schon beim Marathon gute Dienste geleistet hat, zu mir nahm. Danke Margit- es hat gute Dienste geleistet! Aber auch diese Erfahrungen gehoeren zu meinem Aufenthalt hier- zu lernen ueber kulturelle Unterschiede und Kulturschocks zu erleben und diese zu ueberwinden. In jedem Fall ueberwiegen die positiven Erfahrungen die ich hier mache.
Ich habe bereits oft auf die Frage der Einheimischen nach meinem Befinden geantwortet, dass ich mich in Bangladesch noch keine Minute einsam und alleine gefuehlt habe- bei einer Gesamtbevoelkerung von 145 Mio. Auch nicht weiter verwunderlich.... ; ) Aber Einsamkeit haengt ja nicht unbedingt mit der Abwesenheit von Menschen zusammen sondern vielmehr mit dem Grad an sozialer Interaktion. Das ist abert nun wirklich eine schoene Ausdrucksweise, um den Umgang der Bengalen untereinander und gegenueber Fremden zu beschreiben. Die Bengalen haben ein Gefuehl der Verantwortung gegenueber ihren Mitmenschen. Sie kuemmern sich umeinander, betrachten die Probleme der anderen als ihre eigenen, und suchen nach Loesungen. Sie betrachten jeden Fremden in Bangladesch als ihren persoenlichen Gast. Diese Gastfreundschaft habe ich bis dato von jedem Bengalen und von jeder Bengalin erfahren, mit dem/der ich in direkten Kontakt kam. Freundlichkeit, Offenheit, Interesse, Unterstutzung- Bengalen versuchen alles in ihrer Macht stehende zu tun, um meinen Aufenthalt hier so bequem und angenehm wie moeglich zu machen. If you are happy, I am happy- ist eine oft vernommene Aussage. Ich habe Gastfreunschaft und soziale Waerme bereits waehrend meiner Aufenthalte in Palaestina und Aegypten kennen und schaetzen gelernt und glaube, dass der Wert sehr stark in der muslimischen Kultur verankert liegt. In Europa, zumindest in Nordeuropa, wird der Begriff Gastfreundschaft doch deutlich anders verstanden. Fuer Bangladesch gilt die Gastfreundschaft in jedem Falle religionsuebergreifend auch fuer Hindus. Hindus stellen hier die Minderheit dar.
Ich hatte das Glueck diese Woche meine Erfahrungen in einer von einem Hindu gefuehrten Filiale machen zu duerfen. Hindus und Moslems leben hier nicht nur friedlich neben- sondern auch wirklich miteinander. An diesem Wochenende feiern die Moslems ihr groesstes Fest- das Eid Al Fir- das Ende des Ramadans. Das Eid =Fest) beginnt fuer die maennlichen Moslems mit einem gemeinsamen einstuendigen Gebet am Morgen auf dem Feld, dem Idgar, waehrend die Frauen scheinbar zu Hause beten und bereits die diversesten Suesspeisen und Geschenke vorbereiten fuer die Gaeste (Freunde und Familie) die im Laufe des Tages das Haus besuchen. Angeblich beginnt nach dem Gebet das grosse Essen und der Verzicht im Ramadan, zumindest waehrend des Tages, wird dann waehrend der Festtage kompensiert. Aehnlich wie bei uns Weihnachten- nur dass wir in Massen essen ohne zuvor gefastet zu haben. Um den 22. Oktober startet nach dem Eid al Fitr das groesste hinduistische Fest im Jahr- Durga Puja. Das nette ist, dass die Bengalen sich religionsuebergreifend zu diesen beiden Festen gegenseitig besuchen und gemeinsam feiern. Das Miteinander steht hier immer im Vordergrund.
Der soziale Zusammenhalt ist es wahrscheinlich auch, der die Bengalen ihre widrigen Rahmenbedingungen, wie das besondere Klima, die Armut, und die regelmaessige Konfrontation mit Naturkatastrophen, leichter ertragen lassen. Staerkung des Individuums durch Gruppenzugehoerigkeit und Hilfe zur Selbsthilfe- dies sind ja auch die zentralsten Ziele von Grameen. In der Tat habe ich bis dato wenige Menschen getroffen, die ueber ihre persoenlich Lage lamentieren. Sowohl die meisten Kreditnehmerinnen von Grameen als auch Grameen MitarbeiterInnen versuchen auf Basis ihrer vorhandenen Ressourcen und persoenlichen Kapazitaeten das Beste aus der Situation zu machen.
Das Leben am Land ist wirklich sehr einfach- sowohl fuer die laendliche Bevoelkerung als auch fuer die BranchmitarbeiterInnen in der Filiale. In den Filialen selbst gibt es keine Computer. So muessen alle taeglichen Abschlussarbeiten, woechentlichen, monatlichen und vierteljaehrlichen Reportings, manuell erledigt werden. Auch wenn die Zielgruppe eine andere ist, und die Bank die verschiedensten sozialen Foerderungsprogramme anbietet- u.a. werden Kredite fuer Bettler vergeben- arbeitet die Bank wie eine Kommerzbank. Rechnungswesen und Controlling sind aeusserst straff organisiert und institutionalisiert. Das Monitoring erfolgt auf woechentlicher, monatlicher und vierteljaehrlicher Basis. Jede Branch legt Gewinn – und Verlustrechnungen zum 30.06. und 31.12. Budgets werden auf Monatsbasis fuer 1 und 3 Jahre erstellt. Budgetabweichungen werden monatlich festgestellt und ertragssteigernde Massnahmen ergriffen. Ich habe bereits mit Harun, meinem ersten Branchmanager, ueber den hohen Grad an Uebereinstimmung zwischen unseren Arbeitsinhalten gelacht.
Ich habe in den letzten beiden Wochen einen wirklich guten Einblick in die straff gefuehrte Organisation und Arbeitsweise von Grameen bekommen, die nach den Worten Yunus’ keine Charity Organisation ist, sondern eben eine Spezialbank der ehemals Armen. Das rigide Kostenmanagemnet von Grameen unterstuetzt eine sehr rudimentaere Einrichtung der Filialen und der Wohnbereiche der Angestellten, die sich als wirkliche „Arbeitstiere“ entpuppten. Ganz im Gegensatz zu unserer Vorstellung von der Arbeitsweise und dem Arbeitspensum in den sogenannten Entwicklungslaendern, beginnt der Arbeitstag eines Grameen Staff um ca. 7 Uhr morgens und endet gegen 22-23 Uhr abends. Trotz des immensen Arbeitspensums beklagt sich hier keiner. Grameen Mitarbeiter fuehlen sich im Dienst der guten Sache. Die meisten sehen es als Ehre fuer Grameen zu arbeiten und durch die direkte Arbeit mit den rural poor, zu helfen deren life style zu heben. Darueber hinaus gewaehrt Grameen ein umfassendes System an social benefits fuer die MitarbeiterInnen und ein finanziell interessantes Abfertigungs- und Pensionssystem.
Ich kann kaum glauben, dass es erst 2 Wochen sind, seitdem ich hier angekommen bon. Bangladesch gestaltet sich erlebt so ganz anders als als das Image, das die Medien von diesem Lande geben. Durch meine zahlreichen positiven zwischenmenschlichen Erfahrungen, fuehle ich mich bereits jetzt schon relativ integriert. Vieles ist schon sehr vertraut, und doch gibt es taeglich so viel Neues zu beobachten und zu erfahren – wie gesagt, ein grosses Abenteuer, und ihr seid indirekt dabei. Ich hoffe morgen endlich die Fotos laden zu koennen. Dann werden meine Erzaehlungen noch etwas anschaulicher und plakativer und selbstverstaendlich zeige ich euch Photos von mir im Sari und mit Salwar Kamiz – die Einheimischen sind begeistert. Ich hoffe ihr seid es auch ..... :

2 comments:

Gabi R. said...

Sehr gut geschrieben, gelungene Fotos und ein umwerfendes Grün (Gewand + Natur).

Schönes Fest!
Gabi R.

ERDE said...

Hi,

ich verfolge gespannt deinen blog.

und sende gleichzeitig gruesse von der anderen seite der kugel.

baba aus montreal

erich